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Kranichsteiner Kinder- und Jugendliteratur-Stipendien 2021 an Ayşe Bosse, Franz Orghandl, Sarah Jäger und Verena Keßler

2021 gehen die Kinderliteratur-Stipendien an Ayşe Bosse für Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich! (Carlsen Verlag) und an Franz Orghandl für Der Katze ist es ganz egal (Klett Kinderbuch). Die Jugendbuch-Stipendiatinnen sind Sarah Jäger und Verena Keßler, ausgezeichnet werden sie für ihre Debüts Nach vorn, nach Süden (Rowohlt rotfuchs) und Die Gespenster von Demmin (Hanser Berlin).

Da die traditionelle Übergabe zur Leipziger Buchmesse dieses Jahr nicht stattfinden kann, porträtiert ein 53-minütiges Video die ausgezeichneten Autorinnen: Im Gespräch mit je einem Jurymitglied erzählen sie von ihrer Arbeit und lesen aus ihren ausgezeichneten Werken. Das Video ist über unseren Youtube-Kanal sowie die Website des Arbeitskreises für Jugendliteratur abrufbar.

Ayşe Bosse für Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich!

Ayşe Bosse arbeitet als Autorin, Schauspielerin und Trauerbegleiterin. Sie wuchs in einer türkisch-deutschen Familie auf und lebt heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Hamburg. Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich! ist ihr erster Roman für Kinder.

Begründung der Jury

Für Horizonterweiterungen sind Perspektivwechsel gut: der Blick von außen. Mit irgendwas zwischen Wut und Kummer schaut Pembo auf Deutschland, „das schrecklichste Land der Welt“. Hier soll sie in Zukunft mit ihren Eltern leben, weit weg von ihrer Heimat Türkei. Trotz ist besser als Heimweh. Und so hält Pembo zu Beginn jeden Kapitels dem grauen Hamburg wild entschlossen türkische Wörter samt Übersetzung entgegen. Zähneknirschend lässt sie sich ein auf das Land ihrer Mutter. Erste Verblüffung: Nicht alles ist schrecklich. Folgerichtig werden weitere „typisch!“-Vorurteile auf den Kopf gestellt und entsorgt. Pembo hasst Mädchenkram, Ringen findet sie toll, Ringe: nicht. Haare: kurz, Bauch: vor-handen – na, und? Wer immer noch glaubt, Männer hätten den Durchblick, der muss mal Pembos Baba kennen lernen, den Traumtänzer mit Abo auf Bruchlandung. Und wer denkt, Integration sei eine bierernste Angelegenheit, wird ebenfalls eines Besseren belehrt. Mit dem Zeug zur Culture-Clash-Komödie jagt eine Pleite die nächste Panne bis zum hollywoodreifen Showdown: Halb und halb macht doppelt glücklich. Doppelt „mutlu“. Das ist Horizonterweiterung für alle. Ein vielversprechendes Debüt.

Begründung der Jury, der Christine Knödler, Ralf Schweikart und Prof. Dr. Karin Vach angehören

Franz Orghandl für Der Katze ist es ganz egal

Franz Orghandl wurde 1980 in Wien geboren und verbrachte ihre Kindheit zwischen dem 5. Bezirk, der grünen Steiermark und dem südlichsten Zipfel Italiens. Sie arbeitet als Autorin und Übersetzerin.

Begründung der Jury

Leo heißt jetzt Jennifer. Sie möchte nicht nur den Namen ändern: Jennifer ist ein Mädchen. Die Erwachsenen kommen nicht mit. Papa poltert, Mama bemüht sich, Oma und Opa verstehen nur Bahnhof. Macht nix: Es ist schließlich nie zu spät, um noch dazuzulernen. Und nicht vergessen: Der Katze ist es ganz egal. Identität ist kein Trend. Identität ist kein Kinderspiel. Umso bemerkenswerter ist, mit welch radikaler Selbstverständlichkeit und umstandsloser Souveränität Franz Orghandl sich nicht nur des aktuellen Themas Transgender annimmt, sondern darüber hinausgeht: Glaubhaft, voller Witz und Wärme, voller Wien, voller Schmäh, liegen Stadt- und Selbsterkundung um die Ecke. Dass es eine Frau mit Pimmel gibt, Jennifers Freundin sich gern einen Bart ins Gesicht klebt und Leo ein Mädchen ist, wird nicht in Frage gestellt. Es ist, wie es ist. Das ist gendergerecht, weil es mit Rollen und Normen jongliert, es ist transgendergerecht, weil es Grenzüberschreitung vormacht, aber nicht zum alleinigen Maßstab erhebt. Es ist kindgerecht, weil es Kindern ihre Unvoreingenommenheit lässt, und es ist kinderbuchgerecht, weil es Leser*innen ernst nimmt und zugleich unterhält. Ein umwerfendes Debüt.

Begründung der Jury, der Christine Knödler, Ralf Schweikart und Prof. Dr. Karin Vach angehören

Sarah Jäger für Nach vorn, nach Süden

Sarah Jäger lebt im Ruhrgebiet. Sie ist IHK-zertifizierte Call Center-Agentin, ausgebildete Theaterpädagogin und umgeschulte Buchhändlerin. Nach vorn, nach Süden ist ihr erster Roman.

Begründung der Jury

Wenn eine den Namen Entenarsch verpasst bekommt, sind Flügel gleich mal gestutzt. Aber so ist das auf dem Hinterhof des Penny-Marktes: Der Ton ist rau, trotzdem gehören sie zusammen: Marie, Vika, Otto, Can, unser Pavel, Leroy, der Checker. Und Jo. Doch der ist verschwunden. Marie will ihn suchen, Can kommt mit, Entenarsch auch, denn sie ist die Einzige, die ein Auto hat. Und einen Führerschein. Und so beginnt, in der aberwitzigen Hitze eines Ausnahmesommers, ein abgefahrener Roadtrip quer durch die Republik und durch die Geschichten Derer vom Hinterhof. Die sind voller Sackgassen und Einbahnstraßen, Anfänge ohne Fortsetzungen, zu früh, zu spät, voller Fehler und Verlust. Doch vor allem treibt sie der unbändige Zug an zu leben: vom unteren Rand mittenrein, nach vorn, nach Süden, mit allem, was war und was sein wird. Worte sitzen wie die Namen. Dialoge sind kluge Milieu- und Innenleben Studien. Was als wohlmeinende Prekariats-, Diversitäts- und Integrations-Geschichte hätte vor die Wand gefahren werden können, besticht durch Ehrlichkeit ohne Sentimentalität: zwischen Schlagabtausch und Versöhnung, zum Brüllen, Heulen, Lachen – und zum Losfliegen. Ein herausragendes Debüt.

Begründung der Jury, der Christine Knödler, Ralf Schweikart und Prof. Dr. Karin Vach angehören

Verena Keßler für Die Gespenster von Demmin

Verena Keßler, geboren 1988 in Hamburg, lebt in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studierte. 2019 nahm sie an der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung teil. Sie war Stipendiatin des 23. Klagenfurter Literaturkurses. Die Gespenster von Demmin ist ihr erster Roman.

Begründung der Jury

Gespenster erzwingen Erinnern, erst recht an einem Ort wie Demmin. Hier fand Ende des Zweiten Weltkriegs der größte Massensuizid der deutschen Geschichte statt. Für Larry ist ihre Heimatstadt vor allem eins: langweilig. Sie möchte möglichst schnell erwachsen und dann Kriegsreporterin werden. Bis es so weit ist, schlägt sie sich mit Freundschaftskrise, erster Liebe, Krach mit der alleinerziehenden Mutter und einem Schicksalsschlag in der Familie rum – das volle Programm. Nebenan wohnt Frau Dohlberg. Ihr steht der Umzug ins Seniorenheim bevor. Sie räumt ihr Haus aus und mit ihm ihr Leben. Sie ist eine der letzten Zeitzeuginnen. Eine Überlebende. Im Wechsel zwischen den Perspektiven beginnt eine zweigeteilte Spurensuche, die zur brillanten Engführung zwischen den Generationen, zwischen jüngster Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird. (K)ein Jugendroman, ist ein Kunstgriff unter vielen, dass Larry und die alte Dame so herzlich wenig voneinander wissen. Denn erzählt wird, was ist, und nicht, was hätte sein können, sein sollen: Die Geschichte einer Frau Dohlberg hat bis heute kaum interessiert. Jetzt ist sie wieder in der Welt. Ein Ende, ein Anfang. Ein unvergessliches Debüt.

Begründung der Jury, der Christine Knödler, Ralf Schweikart und Prof. Dr. Karin Vach angehören

Jury

Der Jury zu den Kranichsteiner Kinder- und Jugendliteratur-Stipendien 2021 gehören an:

  • Christine Knödler (Freie Journalistin)
  • Ralf Schweikart (Vorsitzender des Arbeitskreises für Jugendliteratur)
  • Prof. Dr. Karin Vach (Vorsitzende der Kritikerjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2021)

Stipendien – für wen und warum?

Die Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendien werden seit 2010, die Kranichsteiner Kinderliteratur-Stipendien seit 2021 jährlich vom Deutschen Literaturfonds und vom Arbeitskreis für Jugendliteratur vergeben. Sie gehen an Autorinnen und Autoren von Kinder- und Jugendbüchern, die bereits erste überzeugende Titel veröffentlicht haben und eine positive literarische Entwicklung erkennen lassen, sich aber bisher keine starke Marktposition erarbeiten konnten.

Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, ein nächstes Buchprojekt unabhängig von den Anforderungen des Marktes und unter finanziell gesicherten Lebensumständen verwirklichen zu können.

Sowohl der Deutsche Literaturfonds als auch der Arbeitskreis für Jugendliteratur möchten damit die aktuelle deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur fördern und unterstützen.

Neuerungen anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Stipendien

Ab 2021 wird die Anzahl der bewährten Stipendien erhöht. Analog zu den zwei Jugendliteratur-Stipendien werden zwei zusätzliche Kinderliteratur-Stipendien etabliert. Alle Stipendien sind von sechsmonatiger Dauer und ab 2021 jeweils mit 18.000 Euro (bisher 12.000 Euro) dotiert.

Auswahlverfahren

Das Auswahlverfahren ist an den Deutschen Jugendliteraturpreis angebunden. Eine Bewerbung um ein Stipendium erfolgt automatisch durch die Einreichung eines deutschsprachigen Kinder- bzw. Jugendbuchs für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Die Einreichfrist endet jährlich Ende September.

Alle deutschsprachigen Originalausgaben in den Sparten Kinderbuch und Jugendbuch werden von einer unabhängigen Jury geprüft. Übersetzungen sowie Einreichungen in anderen Sparten finden keine Berücksichtigung. Ausschlaggebend für die Vergabe der Stipendien-Preise ist allein die literarische Qualität der zu prüfenden Kinder- und Jugendbücher. Die Entscheidung für die Stipendiaten fällt unabhängig davon, ob die Autorinnen und Autoren für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert sind.

Jurybegründungen: © Christine Knödler

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